16. Juni 2025

Obacht vor Panik: Wann muss die Webseite barrierefrei sein?

Barrierefreiheit im Internet: Was das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) für Vereine bedeutet

Ab dem 28. Juni 2025 gilt in Deutschland das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in vollem Umfang. In den vergangenen Monaten erhalten viele Vereine besorgniserregende E-Mails, in denen vor hohen Abmahnkosten gewarnt und gleichzeitig teure „Lösungen“ angeboten werden. Anlass genug, einen nüchternen Blick auf das Gesetz zu werfen: Wen betrifft es wirklich? Wann muss die Webseite des Vereins barrierefrei sein?

Was regelt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz?

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) setzt eine EU-Richtlinie um und verpflichtet bestimmte Wirtschaftsakteure dazu, digitale Produkte und Dienstleistungen barrierefrei anzubieten. Ziel ist es, Menschen mit Behinderungen gleichberechtigten Zugang zu digitalen Angeboten zu ermöglichen – ein wichtiger Schritt für mehr Inklusion in einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft.

Das Gesetz gilt insbesondere für sogenannte Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr – also für Anbieter, die über ihre Website Waren oder Dienstleistungen verkaufen oder entsprechende Vertragsabschlüsse ermöglichen. Dazu zählen z. B. Online-Shops, Buchungsportale oder kostenpflichtige digitale Services.

Sind gemeinnützige Vereine vom Gesetz betroffen?

Die gute Nachricht für die allermeisten Vereine lautet: Nein, das BFSG betrifft sie in der Regel nicht.
Denn zwei wichtige Einschränkungen im Gesetz sorgen dafür, dass gemeinnützige Organisationen meist ausgenommen sind:

  1. Keine Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr
    Wenn auf der Vereinswebseite keine kostenpflichtigen Angebote gemacht oder Verträge abgeschlossen werden können (z. B. Mitgliedsbeiträge, Ticketkäufe oder Shopverkäufe), greift das Gesetz nicht.
  2. Kleinstunternehmerregelung
    Selbst wenn der Verein in begrenztem Umfang solche Dienstleistungen anbietet, greift die sogenannte Kleinstunternehmerausnahme. Diese gilt für Organisationen mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz oder einer Jahresbilanzsumme von maximal 2 Millionen Euro. Das trifft auf die überwältigende Mehrheit der Vereine in Deutschland zu.
Solche unseriösen E-Mails erreichen derzeit einige Vereine in Bayern.

Barrierefrei vs. barrierearm – was ist der Unterschied?

Auch wenn keine gesetzliche Verpflichtung besteht: Eine möglichst barrierefreie Webseite ist aus Sicht der Teilhabe und Inklusion ausdrücklich zu begrüßen. Doch was bedeutet „barrierefrei“ eigentlich?

Barrierefreiheit bedeutet, dass eine Webseite so gestaltet ist, dass sie von allen Menschen – unabhängig von körperlichen oder kognitiven Einschränkungen – gleichberechtigt genutzt werden kann. Technisch basiert die gesetzliche Definition auf der Norm EN 301 549, die zahlreiche Anforderungen zur Nutzbarkeit, Navigation und Verständlichkeit festlegt.

Barrierearm bezeichnet dagegen eine Webseite, die in Teilen zugänglicher gemacht wurde, aber noch nicht alle Anforderungen erfüllt. Für viele Vereine ist das ein realistischer und sinnvoller Zwischenschritt: Barrierearme Angebote verbessern bereits die Nutzbarkeit, ohne dass dafür ein vollständiger Umbau oder hohe Kosten notwendig sind.

Was können Vereine freiwillig tun?

Auch wenn die Pflicht zur Barrierefreiheit in den meisten Fällen nicht greift, lohnt es sich, über einfache Maßnahmen nachzudenken, um die eigene Webseite zugänglicher zu gestalten. Schon mit geringem Aufwand lässt sich die digitale Teilhabe vieler Menschen verbessern. Dazu gehören unter anderem:

  • Ausreichende Schriftgrößen und gut lesbare Schriftarten
  • Hohe Farbkontraste zwischen Text und Hintergrund
  • Alt-Texte für Bilder, damit Screenreader Inhalte vorlesen können
  • Einfache und klare Sprache, besonders bei wichtigen Informationen
  • Tastaturbedienbarkeit der Navigation und aller interaktiven Elemente
  • Korrekte Überschriftenstruktur (z. B. h1, h2, h3), damit Seiten logisch gegliedert sind
  • Klare Layoutstruktur, mit deutlich erkennbarem Hauptinhalt und Navigation

Diese Schritte verbessern nicht nur die Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen, sondern machen die Webseite für alle Nutzer*innen übersichtlicher und benutzerfreundlicher.

Vorsicht vor Panikmache und Abzocke

Leider nutzen einige Anbieter die Unsicherheit rund um das BFSG aus, um mit angsteinflößenden E-Mails oder dubiosen „Widgets“ Kasse zu machen. Dabei wird suggeriert, dass jede nicht barrierefreie Website ab Juni 2025 abmahnfähig sei. Diese Aussagen sind in dieser Pauschalität falsch und dienen in erster Linie dem Geschäftsinteresse der Absender.

Empfehlung: Solche E-Mails gehören in den Papierkorb. Vereine sollten sich stattdessen auf seriöse Informationen verlassen und sich bei Unsicherheiten an ihren Dachverband oder eine Freiwilligenagentur wenden.

Fazit

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz ist ein wichtiger Schritt in Richtung digitale Inklusion, richtet sich aber primär an wirtschaftliche Akteure mit digitalen Verkaufsangeboten. Die meisten gemeinnützigen Vereine sind nicht betroffen – weder juristisch noch finanziell. Trotzdem ist es ein Zeichen von Offenheit und Gemeinsinn, wenn Vereine ihre Webseiten freiwillig barriereärmer gestalten. Nicht, weil sie müssen – sondern weil sie es wollen.

Wer sich weiter informieren möchte, findet unter bfsg-gesetz.de eine verständliche Einführung in das Gesetz. Und wer seine Vereinswebsite verbessern will, muss nicht auf Panikmails hereinfallen – sondern kann mit kleinen Schritten große Wirkung erzielen.

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Hinweis: Wir recherchieren unsere Informationen zu gesetzlichen Regelungen nach bestem Wissen und Gewissen. digital verein(t) kann eine qualifizierte Rechtsberatung dennoch nicht ersetzen.

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