In einer Welt, die immer digitaler wird, tritt ein Konzept immer stärker in den Vordergrund: der „digitale Zwilling“. Doch was ist ein digitaler Zwilling überhaupt? Und gibt es sie schon?
Ein digitaler Zwilling ist ein virtuelles Modell, das ein physisches Objekt präzise widerspiegeln soll. Das kann in der Städteplanung eine 3D-modellierte Stadt sein, oder auch ein Windkraftwerk, bei dem über Sensoren alle Informationen geliefert werden, um es digital darzustellen. Dein digitaler Zwilling ist eine virtuelle Darstellung von dir selbst in der digitalen Welt. Er enthält alle relevanten Informationen über dich, von deiner Gesundheit über deine Vorlieben bis hin zu deinem Verhalten. Sensoren, Daten und Algorithmen arbeiten zusammen, um ein genaues Bild von dir zu erstellen und dich in der digitalen Sphäre widerzuspiegeln.
Die Geschichte des digitalen Zwillings reicht zurück bis in die 1970er Jahre, als der Begriff erstmals in der Luft- und Raumfahrtindustrie auftauchte. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Technologie weiterentwickelt und fand Anwendung in verschiedenen Bereichen wie der Automobilindustrie, der Energieerzeugung und dem Gesundheitswesen. Heute wird der Begriff des digitalen Zwillings nicht mehr nur auf physische Objekte beschränkt, sondern wird auch auf virtuelle Entitäten wie Menschen, Organisationen und sogar ganze Städte angewendet.
Das Bundesamts für Kartographie und Geodäsie (BKG) konzentriert sich auf die Entwicklung des „Digitalen Zwilling Deutschland„. Im 3-D Modell von Deutschland sollen alle Geo-Objekte enthalten sein, vom Hochhaus über die Verkehrsampel bis zum Baumbewuchs.
Mit dem Projekt TwinBy unterstützt das Bayerische Staatsministerium für Digitales 17 kommunale Fördervorhaben beim Aufbau individueller Digitaler Zwillinge anhand konkreter Anwendungsfälle.
Wie sieht ein digitaler Zwilling aus?
Ein zentraler Aspekt ist die Fähigkeit der digitalen Doppelgänger, Verhaltensweisen vorherzusagen. Durch die Analyse vergangener Aktivitäten und Interaktionen können sie zukünftige Entscheidungen und Handlungen antizipieren. Dies hat weitreichende Implikationen für verschiedene Bereiche wie Marketing, Gesundheitswesen, Sicherheit und mehr. Was kann dein digitaler Zwilling alles? Zum einen ermöglicht er eine genauere Überwachung und Analyse deiner Gesundheit. Daten wie Herzfrequenz, Blutdruck und Schlafmuster können von Fitness-Trackern wie Fitbit oder Smartwatches wie der Apple Watch gesammelt und in deinem digitalen Zwilling integriert werden. Auf diese Weise kannst du deine Fitnessziele verfolgen und deine Gesundheit im Blick behalten. Unternehmen wie Netflix oder Spotify können deine Vorlieben und Sehgewohnheiten analysieren, um dir maßgeschneiderte Empfehlungen für Filme, Serien oder Musik zu geben. Auch Online-Shops wie Amazon nutzen Daten aus deinem digitalen Zwilling, um dir personalisierte Produktvorschläge zu machen, die deinen Interessen entsprechen. All das kennen und nutzen wir schon.
High vs. Low Fidelity
Fidelity bedeutet so viel wie Genauigkeit. Bisher sind unsere digitalen Zwillinge low fidelity: Unser digitaler Zwilling heute ist nur ein blasses Abbild – viel mehr Daten und Technologie wären notwendig, um einen wahren Zwilling zu erstellen. Denn das Zwillingsmodell funktioniert synchron: Wenn es draußen regnet, muss es auch drinnen regnen. Das heißt, dein digitaler Zwilling würde Echtzeitdaten, -handlungen über dich bereitstellen. Und vor allem auch Entscheidungen treffen, die du auch treffen würdest. Von einem richtigen ‚denkenden‘ digitalen Zwilling unserer selbst sind wir noch weit entfernt: „Ein menschlicher digitaler Zwilling würde eine gigantische Menge an Daten über die Vorlieben, Neigungen und Verhaltensweisen einer Person enthalten und müsste Informationen über die unmittelbare physische und soziale Umgebung einer Person erhalten, um Vorhersagen zu treffen“, so Prof. Schoenherr für The Conversation. „Diese Anforderungen bedeuten, dass die Verwirklichung eines echten digitalen Zwillings in naher Zukunft kaum möglich sein wird“. Gedankenspiele, was ein high fidelity Zwilling für Potenziale birgt, gibt es viele, technisch sind wir davon aber noch sehr weit entfernt.
Schütze deinen Zwilling!
Doch neben den Chancen gibt es auch Herausforderungen, die mit deinem digitalen Zwilling einhergehen. Datenschutz und Datensicherheit sind hierbei von größter Bedeutung. Die Daten, die deinen digitalen Zwilling formen, werden oft von verschiedenen Quellen gesammelt und können sensibel sein. Es ist wichtig, dass du weißt, woher deine Daten stammen und wer darauf zugreifen kann. Darüber hinaus gibt es auch ethische Fragen im Zusammenhang mit der Verwendung von digitalen Doppelgängern. Die Vorhersage von Verhaltensweisen und Entscheidungen wirft Fragen nach der Autonomie und Freiheit des Individuums auf. Zahlen sind objektiv, Daten sind es nicht. Wem wird man mehr glauben: Dir oder deinem digitalen Zwilling?
Die Destination Earth (DestinE) ist eine Leitinitiative der Europäischen Kommission, um ein hochgenaues digitales Modell der Erde im globalen Maßstab zu entwickeln. Dieses Modell wird die Wechselwirkung zwischen natürlichen Phänomenen und menschlichen Aktivitäten überwachen, simulieren und vorhersagen.
Insgesamt ist das Thema der digitalen Zwillinge schon in unserem Alltag angekommen, aber noch längst nicht abgeschlossen. Spotify kennt den Musikgeschmack, die Smartwatch sagt dir, dass du mehr schlafen musst. Aber dein digitaler Zwilling, und somit dein digitales Ich muss auch geschützt werden. So wie ihr eure wichtigen Dokumente wegschließt, so solltet ihr auch sorgsam mit euren Daten umgehen.
Basiswissen, wie ihr sicher im Netz unterwegs seid, gibt es im Handbuch „Sicher im Netz“.